Der Turmbau aus Geld, Gier und Wahn

Das Märchen –?– vom Kampf gegen den Fluch der Sattheit



Anatomie


 

Vexierbild: wo ist der Fehler?

Licht im Dunkel – heute von der anderen Seite

Hänsel und Gretels Welt

Unter der roten gestrichelten Linie finden wir die Welt, wie Hänsel und Gretel, Sie und ich sie in der Schule gelernt haben:

Menschen schaffen Unternehmen, weil sie mit dem was in ihrem Schrebergarten wächst nicht mehr zufrieden sind.
Sie gehen da Arbeiten und kriegen Geld dafür.

Das können sie wieder ausgeben und sich was (meist bei einer anderen Firma als da wo sie arbeiten) dafür kaufen.
Wenn sie satt sind und schon alles haben, legen sie etwas auf die hohe Kante. Vielleicht kaufen sie Aktien, und kriegen dafür ein Stück vom Kuchen ab, wenn das Unternehmen am Ende des Jahres Gewinn macht (Dividende).

Giralgeldschöpfung

Dummerweise ist das mit dem Sparen aber viel zu spät – die Firmen müssen schon anfangen zu arbeiten, bevor die Leute genug haben. Deswegen gibt es die Banken.

Da geht der Firmenchef hin und sagt:

„Ich habe eine super Idee für einen tollen Laden.
Da bleibt hinterher garantiert für alle genug übrig:
für die Bank, für die Aktionäre
und ganz bestimmt dann auch noch für mich”.

Wenn die Bank ihm das glaubt,
wird aus der Glaubwürdigkeit (credibility) die Kreditwürdigkeit (credit-ability).

Die Bank wirft die Druckerpresse an – halt, nein, falsch, Papier ist doch teuer, und unser Geld war ja schon virtuell als es das Internet noch nicht einmal im Traum gab –
die Bank schiebt ein paar Bits in ihrem Computer von A nach B – und schwupps


haben wir Geld gemacht.

Unser Boss hat jetzt – sagen wir mal – hunderttausend Guthaben auf seinem Girokonto, und gleichtzeitig hunderttausend Schulden auf seinem Kreditkonto.

Aus der credibility wurd credit.
Geld ist also nichts anderes als ein Versprechen.


Zum Beispiel eben das Versprechen von unserem Boss, daß das mit seiner Firma auf jeden Fall klappen wird.
Da setzt er sein letztes Unterhemd und das Häuschen seiner Oma drauf.

Dafür, daß die Bank unserm Boss sein Versprechen abnimmt, kassiert sie eine lächerliche Gebühr von z. B. 5 bis 10 % pro Jahr. Klar, Computer, Bankdirektoren und Glastürme sind teuer.

Aber die Bank hat auch ein kleines Risiko:

Der Bank gehört ja nur der Kreditteil von dem neu gezauberten Geld.
Die Guthabenseite von den Bits aus dem Geldzauberdeal gehört unserem Chef.

Der gibt das weiter an die Arbeiter, an die Lieferanten, ans Finanzamt und wer sonst noch alles seinen Schnabel in die Firmen steckt. Und manche haben ihr Konto auf einer anderen Bank. Denen ist es auch wurscht, ob das Geld aus dem Versprechen von Metzger Müller oder Bäcker Meier oder Bauer Huber kommt.

Sie nehmen das Geld als Versprechen auf eine Leistung.
Und wenn sie einkaufen, wollen sie dieses Versprechen einlösen.
Gegen irgend etwas, wonach ihnen gerade ist.


Die Leute glauben, daß sie immer und jederzeit auf der Einlösung der Versprechen bestehen können. Das ist natürlich Blödsinn, denn so wie unser Chef versprochen hat, im Lauf der Jahre das Geld zurück zu zahlen, nicht auf einmal, haben das auch die anderen Geldzaubergehilfen so ähnlich versprochen. Der Bäcker könnte gar nicht alle Semmeln für die zehn Jahre auf einmal backen, über die sein Kredit läuft.

Aber irgendwie sollen oder wollen die Leute das nicht wissen.
Und wenn die Leute anfangen, an der Macht der Versprechen im Geld zu zweifen, ist das Geld kaputt.
Sie alle halten sich als erstes an die Bank.

Deswegen braucht die Bank eine Reserve:
wenn mehr Leute die Einlösung von Versprechen fordern als in der gleichen Zeit neue Versprechen abgegeben werden. Zum Beispiel weil Weihnachten ist, oder Wirtschaftskrise. Und deswegen muß auch der Bankdirektor das Häuschen von seiner Oma auf den Tisch legen, und die Biene Sumsi bettelt Sie um Ihren Spargroschen.

Erst wenn ein anderer Schuldner ein Stück von seinem Kredit damit zurückzahlt, kommt das imaginäre Bitgeld zur Ruhe – und ist auch schon wieder aus der Welt verschwunden.

Auf der Schuldenseite sind aber die bösen Bits erst mal noch so wie sie waren.
Wenn es mit dem Versprechen von unserem Chef schlecht läuft, das Häuschen von der Oma schon eingefallen, das letzte Unterhemd versoffen ist, kann es passieren, daß die Bits auf der linken Seite in der Bankbilanz nicht mehr mit denen auf der rechten Seite zusammenpassen. Und dann gehts ans Häuschen von der Oma vom Bankdirektor…

Ach, das haben Sie in der Schule und von der Biene Sumsi aber ganz anders verstanden?
Na, dann fragen Sie doch mal Ihren Bankdirektor, wenn Sie ihn das nächste Mal treffen.
 

Vertreibung aus dem Paradies – Rezession

Unser nächstes Kapitel steht wieder im Schulbuch:
Die Leute waren fleißig und hungrig, und hungrig und fleißig.
Der Reichtum wuchs allenthalben, und blühende Landschaften waren allüberall.

Doch eines Tages kam großes Unheil über das Land:
Die Menschen waren satt
.

Nicht für eine Stunde, nicht für einen Tag.
Nein, sie waren einfach richtig schön zufrieden und satt.

Sie wollten einfach nicht jeden Tag noch mehr essen und noch mehr einkaufen. Sie wollten schon noch weiter arbeiten, denn sie waren ja alle fleißig, und keiner wollte sich von seinem Nachbarn blöd anschauen lassen.

Aber statt ihr Geld zum nächsten Krämer zu tragen, brachten sie es auf die Bank. Die zahlte ihnen zwar nicht viel dafür, denn eigentlich brauchte die Bank nur ein klein bißchen Sparbücher, um Geld drucken zu dürfen. Aber trotzdem waren die Menschen stolz auf ihr Sparbuch.

Aber das Geld auf dem Sparbuch fehlte beim Krämer, und der konnte es nicht mehr an unseren Chef zahlen.

Es war immer weniger Geld da.
Die Firmen machten alle Verlust, und begannen, Leute auszustellen.

Es hätte zwar jeder gerne ein bißchen weniger gearbeitet, aber gar nicht - nein, das ging nicht.
Ganz ohne Geld würde man ja verhungern. Oder zumindest sich schämen müssen.

Und da mehr Arbeiter waren als Arbeit, brauchten die Firmen nicht mehr viel für die Arbeiter zahlen. So hatten die noch weniger Geld, konnten noch weniger kaufen, und den Firmen ging es noch schlechter. Außerdem waren sie bereit, für weniger Geld sogar noch länger zu arbeiten, nur um überhaupt überleben zu können. Deswegen wurden noch weniger Arbeiter gebraucht – ein Teufelskreis.

Da kam ein schlauer Mann namens Marx, der das Spiel durchschaut hatte.
Er sagte zu den Arbeitern:
Ihr müßt die Chefs rausschmeißen und die Firmen selber übernehmen.

Das taten die Leute nicht, denn keiner wollte sich diesen Streß mit einer Firma am Bein wirklich antun.
Aber die Drohung war genug, damit die Firmen den Leuten wieder mehr zahlten und sie weniger arbeiten mußten. Es war wieder Geld im Umlauf, den Firmen ging es wieder gut. Es wurden wieder Leute eingestellt, die Leute versprachen, nie wieder satt zu sein, und alles ward wieder gut.

Damals sangen die Menschen dem Mammon dieses Lied:

Ja, Ja, Ja, jetzt wird wieder in die Hände gespuckt,
wir steigern das Bruttosozialprodukt
Tü-Tütel-Tüdeldidü, tü-düdel-dü

Denn nur wenn das Bruttosozialprodukt jedes Jahr schön gleichmäßig ein kleines bißchen ansteigt, halten sich die neu abgegebene Versprechen mit den zurückgezahlten Krediten die Waage, und auch die erbrachten Leistungen mit den eingeforderten, und trotzdem können die Firmen ihre Kredite mit Zinsen zurück zahlen. Keiner muß Angst haben, daß an dem Spiel mit dem Geld vielleicht etwas faul sein könnte.

Doch von Zeit zu Zeit, da mußten sich die Menschen wieder streiten,
die Arbeiter mit den Chefs, und so zogen sie eine hellblau gestrichelte Linie durch das Land.

Die linke Seite, wo die Menschen waren, nannten sie links.
Die rechte Seite, wo die Firmen waren, nannten sie rechts.
Und immer wenn sie satt waren, begannen sie zu streiten,
links gegen rechts, und rechts gegen links,
und sangen wieder ihr Lied, und alles ward wieder gut.
 

Lufthändler

Und es zogen Propheten übers Land, die sangen:

Und ist der Handel noch so klein,
so bringt er mehr als Arbeit ein.

So zogen also Händler über das Land, so daß alle Waren allüberall feil warden.
Doch bald ward auch aller Handel getan, der getan werden konnte.
Die Menschen begannen schon wieder, Angst vor der Sattheit zu haben.

Und so kamen neue Propheten, die sagten:
Was schenkt man einem Menschen, der schon alles hat?
Gutscheine? –
Doch was ist der beste Gutschein?
Und alle riefen: Geld!
Geld ist der wahre Gutschein – der beste von allen!

Und die Propheten sagten:

Schenkt ihnen nicht nur Geld, sondern die Gier,
immer noch mehr Geld haben zu wollen.
Denn alleine die Gier ist unersättlich
.


Und wenn die Menschen gierig bleiben und nicht mehr satt werden,
wird Euer Bruttosozialprodukt auf ewig wachsen und es wird Euch ewig gut gehen.

Da fragten die Menschen:
Aber wo sollen wir das viele Geld denn her bekommen?
Geld entsteht doch nur, wenn jemand ein Versprechen abgibt.
Was sollen wir denn überhaupt noch alles versprechen können wollen?

Da sprachen die neuen Propheten:
Versprecht euch Geld, und das Versprechen auf Geld.
Und versprecht euch das Versprechen auf Versprechen auf Geld.
Und auch das Versprechen auf Versprechen auf Versprechen auf Geld,
und immer so fort.

Die Leute fragten: Wie sollen wir das bewerkstelligen?
Und die neuen Propheten lehrten ihnen dieses:
 

Leverage

Ist ein Chef alt und müde geworden,
und auch seine Kinder wollen sich das Ungemach einer Firma nicht an tun,
so kauft ihm seinen Laden auf.
Aber gebt ihm nur die Hälfte seines gerechten Preises, oder noch weniger.
Den Rest kann er sich von der Bank holen.

Und die neuen Priester rechnten den Leuten vor:
Seht – so ist es, wenn Ihr dem Chef nur die Hälfte des Kaufpreises übergebt.
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:
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Wenn der Wert zum Beispiel eine Million beträgt, gebt ihm nur 500.000.
Die anderen 500.000 kann er sich von der Bank holen.
Die Zinsen sind günstig.
Wenn also die Firma 100.000 abwirft, und Ihr nur 25.000 Zins zahlen müßt,
bleiben Euch 3/4 des Gewinnes, obwohl Ihr nur die Hälfte des Preises bezahlt habt.
Und wenn das Jahr gut ist und die Firma 200.000 abwirft, dann bleiben die übrigen 100.000
ganz alleine für Euch. Euer eingesetztes Kapital verzinst sich mit 35 %!

Da sprach einer aus dem Volk:
Aber es können doch auch schlechte Jahre kommen.
Dann muß ich doch auch alle Zinsen zahlen,
und dann bleibt ganz schnell gar nichts mehr übrig, und vielleicht gehe ich pleite!

Die Priester erwiderten:
Handelt wie ich sage, und es werden keine schlechten Jahre kommen.
Und grämet Euch nicht mit der Angst, denn ich habe Euch noch mehr zu sagen.
Doch erst laßt mich nochmals rechnen:



So sehet also:
 
Je weniger Ihr bezahlt,
desto höher ist Eure Rendite.

Wenn Ihr nur ein Drittel bezahlt,
dann habt Ihr schon in einem normalen Jahr eine Rendite von 20 %.

Aber das kommt doch auch bald an ein Ende,
sprach einer, der es wohl verstanden hatte.
Wir können wohl mehr Geld schöpfen, je geringer unser eigener Anteil an der Finanzierung ist.
Aber der Gewinn wird doch insgesamt deswegen nicht mehr!

Hab' Geduld!
sprach der Priester und fuhr fort.
 

Reinvestition

Eure alten Chefs mußten von der Firma auch leben,
und so zogen sie jedes Jahr einen Gutteil ihrer Gewinne heraus.
So wuchsen ihre Firmen nicht so wie es möglich gewesen wäre,
und sie ließen viele Märkte unbestellt.
Konkurrenz breitete sich aus im Land.

Doch Ihr seid ja schon satt, so laßt also Eure Gewinne im Unternehmen.
Und seht was passieren wird:
Tabellen zum 
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:
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Ihr wißt vielleicht noch aus der Investitionsrechnung, wie man mit der Methode des Discounted Cash-Flow einen Kapitalwert ermittelt.

Wir haben wieder unsere Firma mit 1 Mio Kapital und 10 % Rendite.
So haben wir im ersten Jahr 100.000 Gewinn — oder cash flow — und - oder - egal, denn
 
Es zählt nicht was ist,
sondern was wir uns gegenseitig versprechen können
was werden wird.

Wir wollen immer 70 % in der Firma lassen,
so haben wir im 2. Jahr schon 1,07 Millionen Kapital.
Kapital und Gewinn wachsen, und so laßt uns denn schaffen das Paradies auf Erden.

Am Ende, sagen wir mal, nach 50 Jahren, haben wir im Beispiel nun über 30 Mio in der Firma.
Natürlich müssen wir das abzinsen zu den marktüblichen Kapitalkosten.
Aber weil wir ja Gewinne haben, die wir versprechen können,
können wir – in Gedanken – mit diesem Versprechen zur Bank gehen, die daraus Geld herstellt
.
Und die Banken werden sich reißen, es uns zu geben.

So zinsen wir also ab mit 5%, jedes Jahr,
und auf dem Rückweg sammeln wir Jahr für Jahr gleich alle übrigen Dividenden mit ein.
Und sehet da, wenn wir wieder im Heute angekommen sind,
hat sich der Wert unserer Firma mehr als verfünffacht.

Betrug!! riefen einige,
doch die Priester grinsten nur,
und so setzten sich die Jünger hin und rechneten selber nach.

Heureka! rief ein anderer nach einiger Weile.
 
Es sind die Gewinne der Zukunft,
die wir hier schon im Heute einsammeln.

Denn wenn wir jedes Jahr 10 % Rendite annehmen, dann gilt das nur,
wenn auch noch Arbeiter da sind, die Arbeiten, und Käufer, die Kaufen.
Doch was, wenn die Menschen in der Zukunft sagen: wir wollen es anders tun?

Entweder werden sie Recht bekommen, und wir sind pleite,
oder wir bekommen recht,
und die Menschen der Zukunft sind unsere Sklaven aus dem Heute heraus geworden.
Wie es auch kommen mag, es wird großen Streit geben, und Mord und Totschlag.
Das ist nicht gerecht, das dürfen wir nicht tun!

Da wurde der Prieser zornig:
Dann geh' doch hinfort, Du Narr!

Der Markt ist unbarmherzig und hart.
Er wartet nicht auf Dich.
Wenn Du es nicht tust, wird sogleich ein Anderer kommen und es an Deiner statt tun.
Du aber magst arm und verbittert unter dem Fußvolke schmachten und Dich Deines Mitleides reuen.

Bingo, Bingo, ich sage Euch:
 
Wer aufhört zu rudern, der treibt zurück,
und den letzten zerfleischen die Hunde.

Wieder ein Anderer sprach:
Aber was ist der Wert der Zahlen auf dem Papier?
Ich kann mir hier 5 Millionen vorstellen, doch niemand wird sie mir geben!

Doch der Priester sprach:
Sieh, wir haben die Börse.
Und wenn unsere Firma in Aktien geht, dann können wir die Anteile handeln.
Und weil alle so rechnen wie wir,
und es rechnen alle so, weil wir eines Glaubens sind,
wird das der Preis werden für die Aktie.

Du mußt Dich nicht entscheiden und binden und festlegen.
Zu den Hasenfüßen lehren wir: wer sich nicht entscheiden kann, ist schwach!
Und sie sind dumm genug, es zu glauben.

Euch aber sage ich:
 
Entscheidet Euch nicht!
Wer sich entscheidet, hat seine Freiheit aufgegeben
und sich zum Sklaven seines Besitzes gemacht.

 
Überlaßt es den Hasenfüßen, Sklaven zu sein.
Ihr aber achtet stets darauf, daß Ihr nur Werte kauft, die Ihr jederzeit wieder
in Geld verwandeln könnt, wann und warum immer es Euch günstig erscheint.

Und er Priester rechnete weiter.
Seht, wenn ich bei 10% Rendite alles Kapital in der Firma belasse, dann habe ich schon einen Barwert von 10 Millionen.

Aber ich kann noch weiter gehen.
Wenn ich ein so erfolgreiches Unternehmen an der Börse habe, kann ich jedes Jahr neues Geld auftreiben. Statt eine Dividende zu zahlen, ziehe ich Geld ein und wachse noch schneller.

Wenn ich jedes Jahr die Hälfte meines Gewinnes an neuem Kapital dazu bekommen kann, dann hat mein Unternehmen, das ich mit einer Million gekauft habe, heute einen Wert von 50 Millionen, ohne daß ich nochmals eigenes Geld dazu legen muß.

Ja … aber, rief einer,
aber da bräuchte ich ja in 50 Jahren einen Umsatz von…
und sogleich schwieg er, denn sein Rechner war ob der großen Zahlen abgestürzt.

Oh Ihr Ungläubigen, seufzte der Priester. Wann werdet Ihr es endlich begreifen. Es kommt nicht darauf an, was in Zukunft sein wird, sondern was wir schaffen anderen glaubhaft zu versprechen das es sein wird.

Denn seid Euch gewiss:

There is no free lunch.

Trau keinem Geschäftsmann, der Dir etwas schenken will. Wenn zwei sich über den Wert einer Aktie einig sind, was sollen sie dann noch handeln? Keiner kann dabei gewinnen, keiner wird verlieren. Handel gelingt nur, wenn der Wert der Ware – hier unserer Aktie, für die beiden Parteien verschieden sind. Und das ist er nur, wenn sie beide von der Zukunft etwas anderes glauben.

Wer in diesem Geschäft gewinnen will, muß mit seinem Wissen dem Glauben der Anderen immer eine Nasenlänger voraus sein.
 

Portfolio und Risiko

Sie begannen mit den Zinssätzen zu spielen und waren erschreckt:
Oh – da ist ja ein hohes Risiko drin – das ist schlecht.

Und die Priester sprachen:
So laßt Euch denn nun mein drittes Geheimnis für heute sagen:

Ja, da ist Risiko drin – sehr viel sogar,
und das ist gut so – sehr gut sogar.


Risiko ist nur schlecht für die Hasenfüße,
für die Kleinen, und Kleingläubigen, für die letzten, für die Furchtsamen,
die auserkoren sind zu Hundefutter, auf daß sie am Ende gefressen werden.

Und das ist gut so.
Denn dann setzen sie auf Ihre Rendite einen Abschlag
und verkaufen ihre Aktien und alles was sie haben zu billig.

Seht nochmal unser Beispiel.
Wir glauben frech an eine Rendite von 10%.
Das könnte sich ändern, aber nach oben genauso wie nach unten.

Die Hasenfüße sagen:
Das nach oben habe ich nicht in der Tasche, das will ich nicht bedenken.
Das nach unten kann passieren, also laßt uns einen Sicherheits-Abschlag machen.
Laßt uns mit 7 % rechnen, statt mit 10%.
Und seht, sie geben der Firma einen Wert von 2,6 Millionen.

Wir aber brauchen keine Angst haben, wenn eine Aktie mal ein Unbill trifft,
denn nur ein Narr steht auf einem Bein.
Wir aber stehen auf einem Dutzend, auf hundert Beinen.
Was schert es uns da, wenn eines lahmt,
weil doch dafür ein anderes bestimmt desto kräftiger wächst.

Wenn wir wissen zu können glauben, daß wir 10 % Rendite erwarten,
dann hat für uns die Firma einen Wert von 10,7 Millionen.

Und wenn wir jemanden finden, dem wir das glaubhaft machen können,
und der uns unsere Aktien abkauft – umso besser.
Denn dann haben wir 8 Millionen in der Hand,
ohne Risiko und ohne Schmutz an den Sohlen.
 

Nur das Risiko läßt die Kurse atmen, und dieser Atem ist es, der uns nährt.


Nur ein Narr wird eine Aktie, die auf 10 Mio hochgelobt ist,
halten, bis sich das Risiko zeitigt.
 

Investment Banking

Und darum sollt ihr Fonds gründen und Holdings,
und Holdings von Fonds und Fonds von Holdings.

Immer neue Namen sollt Ihr Euch einfallen lassen, um die Hasenfüße zu täuschen
– damit sie nicht durchschauen die List Eures Tuns
– damit das Riskio nicht bei Euch bleibt, sondern nur der Gewinn daraus,
und damit ihr Euch entziehen könnt den lästigen Gesetzen und Steuern der Länder.

Geht zu den Banken, und sagt:

Seht, ich verspreche Euch große Gewinn mit meinen Aktien!
Und damit Ihr mir glaubt, kann ich Euch diese Aktien als Sicherheiten stellen.

Die Banken werden denken: Sehr gut, diese Sicherheiten.
Besser als die Häuschen von den Omas der Chefs.
Diese Aktien werden wir immer als Sicherheit zu Geld machen können
.

Und Ihr werdet nicht so schnell schauen können, wie sie ihr Geld aus dem Hut zaubern.
Sie werden Euch Kredite geben, mit denen Ihr neue Aktien kaufen könnt,
und das Paradies wird kein Ende finden.

Und wenn Ihr gar übermütig werden wollt, werdet Eure eigene Bank, und seid Euch gegenseitig Bank.
Denn was braucht Ihr Hasenfüße, um Euch Eure Versprechen abzunehmen?

Und so kauften die erhabenen Jünger immer mehr Firmen.
Immer weniger Chefs und schon gar nicht ihre Erben
wollten sich den schweißtreibnden und nervenreibenden Alltag echter Wertschöpfung antun.
Sie freuen sich, wenn sie Ihre Firma, die mit einer Million in den Büchern stand,
für zwei Millionen verkaufen konnten.

Sie hätten sich ärgern könnten, wenn sie gesehen hätten,
daß die erhabenen Jünger 10 Millionen draus gemacht hatten.
Aber sie sahen es nicht,
denn sie waren schon auf dem Golfplatz oder auf ihrer Yacht.

Und auch aus den Fonds machten sie wieder Aktien, die sie verkauften, und aus den Holdings.
Und sie verkauften sie an sich und gegenseitig und an die Hasenfüße.

Niemand wußte mehr, wem was gehört und warum,
aber alle glaubten daran, denn nur das war wichtig.

 

Trickle Down und Tricky Agents

Und es ward neues Geld, und es wurden wieder neue Produkte gekauft,
und die lähmende Finsternis der Sattheit war auf ein Neues gebannt.
Wellness-Oasen und Luxus-Karossen, Villen und Juweliere wuchsen heran.
Sie schufen Arbeit, und Versprechen, und Geld.

Bald zeigte sich, daß die Chefs in den Firmen fehlten,
denn wie keiner verstanden sie sich aufs Schaffen von Wohlstand.
Das war aber nicht schlimm, denn Wohlstand macht satt, und Sattheit ist böse.

Aber die abgegebenen Versprechen – die Basis des Geldes –
sie mußten zum Schein gewahrt bleiben.

Und so schufen sich die Erhabenen Jünger einen neuen Menschen,
einen, der geschaffen war, den Schein des Vesprechens zu wahren.
Sie nannten ihn Manager, und sie setzten ihn ein als Verwalter und als Berater,
als Prüfer und als Händler von Aktien, Versprechen und heißer Luft.

Die Manager waren geboren aus der Gier,
getauft in den Fluten der Gier, gesäugt an den Brüsten der Gier.
Sie glaubten fester an die Gier als die Priester selber.

Und die Manager sagten:

Alleine die Gier ist gut,
und wer sie verrät, ist ein Verbrecher.
If you pay peanuts, you will get monkeys.


So gaben die Menschen den Managern viel Geld für ihr Tun.
Sie gaben Ihnen Geld, damit sie in die Firmen kamen,
sie gaben Ihnen Geld, damit sie wieder gingen, oder auch damit sie blieben.
Sie gaben Ihnen Geld, damit sie sich nicht aufkaufen ließen,
und sie gaben Ihnen Geld, damit sie sich aufkaufen ließen,
und sie gaben Ihnen Geld, auf daß sie andere aufkauften.

Egal was die Manager taten – für Geld taten sie alles.
So konnten auch diese sich Villen kaufen, und Yachten, und Juwelen.

Und so ward neue Gier geschaffen – neues Licht, den Schatten der Sattheit zu verdrängen.
 

Futures und Optionen

Eines Tages brachten die Jünger eine neue Klage:

Seht, Priester,
unsere Nasen , deren Länge wir voraus sind, werden immer kürzer.
Je mehr der Handel floriert, desto kleiner werden die Spannen.
Die Hasenfüße sind nicht dumm.
Sie lernen von uns, und folgen uns auf den Fersen.

Und die Prieser erwiderten:
Habt Ihr vergssen, was ich euch über leverage gelehrt habe?
Was müßt ihr warten, bis Ihr eine Firma genötigt habt, sich feil zu bieten?

Jeder Handel kan gehebelt werden,
und je ängstlicher der Gegner, desto höher ist Euer Gewinn.


Ein Bauer hat Angst, daß der Schweinepreis fällt, wenn er seinen Stall voll stellt?
Versprecht ihm einen festen Preis, aber vergeßt nicht, Euch eine fette Spanne zu sichern.

Ein Kraftwerk will Öl, für Jahre voraus?
Verkauft es ihm zu einem festen Preis, und so, daß Ihr gewiß sein könnt,
es weit unter diesem Preis kaufen zu können.

Laßt den Hasenfuß entscheiden, ob er, wenn die Zeit gekommen ist,
auf Euren Vertrag besteht oder nicht.
Er wird sich beschenkt schätzen und Euch großzügig preisen,
denn er spürt dauernd das Keuchen der Meute im Nacken,
die nur darauf wartet, daß er aus der Herde zurückfällt.

Ihr aber, die ihr über solch irdischen Kleinigkeiten steht
wie Millionen von Schweinen oder Tankern voll Öl,
rechnet Euch immer eine satte Spanne hinein.

Und noch einmal setzt den Hebel an,
und handelt Eure Optionen gegen Kredit,
damit das Risiko nicht begrenzt sei durch die Kasse grad heute am Tage.

Und die Erhabenen Jünger taten wie ihnen gesagt wurde.

Bald übertraf der Handel mit Versprechen den Handel mit Waren.
Und die Menschen fürchteten, daß die Waren nicht ausreichten, um die Versprechen zu decken.
Die Preise fingen an zu schwanken, zu springen, zu toben.
Je mehr die Preise verrückt spielten, desto ängstlicher wurden die Hasenfüße,
und desto mehr kauften sie sich sichernde Versprechen.

Das Geschäft nährte sich selbst, wie die Flamme das Feuer,
und die Priester sahen, daß es gut war.
 

Derivate

Und die Jünger hebelten Optionen aus der Welt,
für und gegen alles was sie sich vorstellen konnten,
und auch für und gegen alles was sie sich nicht vorstellen konnten.
Die Welt fuhr wie eine Achterbahn, und den Menschen wurde übelst darob.

Und es wurde Risko, und es wurde Gewinn.
Und sie sagten:
Liebe Priester, so macht der Handel wirkliche Freude!
Sagt uns, wie können wir das noch schneller laufen lassen?

Und die Priester sprachen:
Nun seid Ihr wahrlich echte Jünger der Gier.
So lob' ich mir Euch!

Als Lohn will ich Euch wieder ein Geheimnis sagen:

Was wartet Ihr auf Hasefüßige,
die Euch Optionen abkaufen, um sich vor Risiko zu schützen?

Denn ist nicht die Option gegen Kredit am Ende nichts anderes als eine Wette?
Warum also wettet Ihr nicht gleich auf die putzige Welt der Hasenfüße,
so wie es die Einen auf Hunde tun, die Anderen auf Pferde,
oder die zwielichtigen Ganoven Asiens auf ihre Kampfhähne?

Und so taten es die Jünger.
Sie wetten auf Öl und auf Brot, auf Gold und auf Grund.
Auf Währungen wetten sie, und auf die Fieberkurven der Aktien,
auf die Kapriolen des Wetters und wem das Glück im Handel hold sein solle.

Und die Hasenfüße rannten aufeinander los und hackten sich die Augen aus.
Ihr Wettbewerb wurde schärfer und härter.
Immer unberechenbarer wurde ihnen die Zukunft und der Handel und das Geschäft.
Sie wähnten das Schicksal schon düster,
denn sie hörten nicht das höhnische Gelächter der Zocker,
die sie in den Ring gesetzt hatten.

Und es wurde wieder neues Risiko in der Welt der Hasenfüße,
auf daß sie wieder Optionen kauften zum Schutze,
und die Kurse schwer keuchend schwankten: der Atem der Gier.
 

Rating

Doch wer den Rahm der ganzen Welt abschöpfen will,
kann sich um Kleinkram von echtem Geschäft nicht mehr kümmern.

Sie bestimmten also Wächter, erhaben über die Gesetze der Staaten,
und setzten sie in einen BIZ-arren Turm zu Basel.

Sie achteten darauf,
daß dem Versprechen in jedem Gelde immer geglaubt werde,
egal woher es auch komme,
und das kein Geld daher komme,
das aus einem Versprechen entstand, dem nicht geglaubt wurde.


Und sie bestimmten drei Orakel zu ihren Diensten.
„Dort könnte ihr Euch bestätigen lassen daß Euer Tun gut ist,
und Eure Versprechen glaubhaft, auf daß die Hasenfüße Euch glauben.”

Mit Alchemie, Qualm und Rauch garnierten sie ihren Hokuspokus, und nannten es Weisheit.
Und die Orakel nannten sie Rating.

Auch die Orakel waren voll mit gläubigen Jüngern der Gier,
Und im Nebel verborgen der Quell' ihrer Weisheit.
Doch wie ein Ertrinkender an jeden Strohhalm,
so klammerten sich die Hasenfüße daran im Strudel der Zeit.
 

Monopole

Und einer stand auf, der grämte sich, und er sagte:

Sieh her Meister.
Wenn ich nun eine Firma kaufe, und all Deine Weisheiten anwende,
dann wird diese Firma ja ungleich stärker sein und größer als alle ihre Wettbewerber.
Es werden bald alle Wettbewerber vom Markt gefegt sein, und wir haben ein Monopol.

Ist aber das Monopol nicht der Feind des Marktes, der Mutter der Gier?

Doch der Priester rief:
Schweig, Du Narr!

Nur weil wir Wasser predigen, wollen wir doch dem Weine nicht entsagen.
Der Glaube an die Freiheit des Marktes ist für das arme Volk der Hasenfüße.
Ihr aber, die Ihr berufen seid, habt nur einen Glauben, und das ist die Gier.


Glaubt mir, die Quellen des Monopols sind unerschöpflich!

Ihr könnt es heute gar nicht alles fassen.
Doch wenn Ihr fest an die Gier glaubt und an den Geist der Gier,
dann wird es Euch eingegeben werden, sobald ihr in einer Gelegenheit dazu steht.
 

Die Grenze und der Turm

Die Priester zogen eine Linie quer über das Land,
feuerrot und gestrichelt war sie.

Sie zogen die Linie hinweg über die Erde und die Natur,
hinweg über die Köpfe der Menschen und die Betriebe,
in denen sie arbeiten und sich ihren Wohlstand verdienen konnten.

Hinweg über die alte Grenze zwischen Links und Rechts,
über Arbeiter und Unternehmer,
mitten durch den großen Kuchen hindurch, der von den Menschen gebacken wurde
und um dessen Verteilung sie nun rangen,
und auch mitten hinein in die Türme der Banken
zu scheiden die Hasenfüße, die Geld schöpfen gegen ehrliches Versprechen
von den Mutigen, die glauben an die Macht der Gier.

Seht da diese Linie!
sie scheidet den Mutigen von dem Hasenfüßigen,
den Erhabenen von dem Erdgebundenen.


Auf dieser Grenze sollt Ihr Eure Versprechen stapeln.
Ihr sollt Türme errichten aus heißer Luft und Versprechen
und Versprechen auf Versprechen auf Versprechen.
Auf daß die Linie sich senke und die Welt unter sich erdrücke.

Alles Menschliche, Gute und Liebe auf der Erde soll aus ihr herausgequetscht werden.
Alles Mühen und Schaffen der Menschen soll nur einen Zweck haben: Die Gier.
Ihr aber werdet den ganzen Kuchen, den die Menschen dann gebacken haben
für Euch alleine haben.

Und so sagten es die Priester,
und so geschah es.
 

Der Wahnsinn und der Staat

Die Türme mit heißer Luft wuchsen und wuchsen,
und mit ihnen die Türme der mutigen Bankster.

Die Menschen ächzten unter der Last der Türme,
doch sie fürchteten sich wieder vor der Hölle der Sattheit,
und so schufen sie und kauften und kauften und schufen.

Die Lenker der Staaten erkannten, wie die Last der Türme
alles Menschliche und Gute aus der Welt herausquetschte,
alle Vorsicht und Rücksicht auf die Natur, auf die Zukunft und auf die Anderen.

Und so schufen die Staaten Gesetze, die dem Strom der Gier Einhalt gebieten sollten.
Wie Pfähle rammten sie sie trotzig in den Grund des Stromes,
und wie Pfeiler suchten sie damit die Grenze zu stützen, auf daß die Menschen
nicht ganz erdrückt wurden.


Doch nicht die luftigen Versprechen in den erhabenen Höhen konnten sie mir Ihren Pfählen bändigen.
Nein, die Fluten der Erde, die Ströme des Schaffens, den Puls des Wohlstandes konnten sie bremsen.
Und das war gut so, denn bald hatten wieder alle Leute Arbeit,
ohne daß zuviel produziert werden mußte und Gefahr bestand, daß die Leute satt werden.

Und bald war die Hälfte der Menschen damit beschäftigt,
Pfähle zu schnitzen, einzurammen
und die anderen in ihrer Arbeit zu hindern.


Die aber begannen den Staat zu hassen, und sie sagten:
„Der Staat ist wie ein Krebsgeschwür, das unser Leben und Schaffen erwürgt.”

Und die Priester lehrten Ihre Jünger:
Seht, Ihr müßt lernen, Zwietracht unter den Menschen zu nähren,
auf daß sie lange nicht erkennen den Plan Eures Tuns!


Den Lohn aber für die Pfahlschnitzer trieb der Staat der Hasenfüße von denselbigen ein,
deren Tun er mit den Pfählen hemmte.
Damit mußten sie weiter fleißig arbeiten, ohne Gefahr, daß sie satt wurden.

Doch weil es nicht reichte, ging der Staat zu den Erhabenen und bat:
Bitte, gebt uns für unser Tun, damit die Stützen der Grenze nicht einbrechen.
Und die erhabenen Jünger fragten:
Staat, was kannst Du uns versprechen?

Und die Lenker des Staates sprachen:
Wir wollen Euch immer treu und ergeben sein, und niemals die Güte der Gier anzweifeln.
Und wir wollen immer getreu die Menschen daran hindern, satt und zufrieden zu sein.

Die erhabenen Jünger sagten:
Dieses Versprechen ist gut.
Das nehmen wir Euch ab, und gewähren Euch dafür großzügig Kredit.


 

Corporate Warfare

Und als nun das Fundament gesichert ward mit den Pfählen der Bürokratie,
Da wuchs der Turm wieder und weiter.

Doch erneut kamen welche und sagten:
Priester, die Menschen drohen schon wieder satt zu werden,
und manche Hasenfüße zweifeln schon an unseren Versprechen der Versprechen.

Da sagten die Priester:
So stiftet denn Verwirrung unter Ihnen.
Laßt sie vergessen, daß sie arbeiten um des Hungers willen,
sondern laßt sie glauben, daß sie arbeiten um der Gier willen.
Nur noch mehr Arbeit sättigt die Gier.

Und so begannen die Menschen, immer mehr zu arbeiten –
nur, um sich gegenseitig die Arbeit weg zu nehmen.

Sie richteten Werbeagenturen ein, um Ihresgleichen zu sagen:
Das ist gut – nein, dieses ist besser – nein, jenes mußt Du haben.

Sie kauften Wissen, und Menschen, die Wissen schafften,
Und sagten: sieh, ich habe ein Patent,
nur ich darf Schaffen mit diesem Wissen und befriedigen meine Gier allein.
Und sie kauften sich Söldner – Rechtsanwälte und Security kauften sie,
Um ihr Wissen und ihr Versprechen darauf, das sie schon lange verkauft haben, zu schützen.

Und die Gier kroch durch alle Ritzen des Lebens der Menschen,
in seine Häuser und seine Familien, in ihr Innerstes sog sie sich ein.
Ihr Lieben und Streben, ihr Schaffen und Hoffen und Bangen,
ihre Krankheit und ihr Sterben gar stellten die Menschen unter die Obhut der Gier.

Weil sie alle gierig waren, wußten sie, daß sie dem Anderen nicht
mehr trauen konnten als sie selbst sich trauen würden.
Und so kauften sie sich Kontrolleure, und sie gaben ihnen neue Berufe
wie Qualitätsmanager und Wirtschaftsprüfer, Controller und Detektive.

Und es ward bald mehr Bürokratie in den Firmen als in dem krebszerfressenen Staate.
Und wieder war bald schon die Hälfte der Menschen damit zu Gange,
die anderen davon abzuhalten, in ehrlicher Arbeit Wohlstand zu schaffen.

Doch die Gier war unersättlich.
 

Freiheit und Handel

Zwischen den Völkern, den Ländern, den Städten aber,
da rissen sie alle Grenzen nieder.

Freiheit sei unser oberstes Ziel!

Frei fließen muß der Mammon, unser König, der Saft unserer Gier!
Frei fließen müssen die Waren, die Güter,
auf daß es Handel gebe, an dem wir finanzieren können.

Frei fließen müssen die Ströme der Menschen und der Schweiß ihrer Arbeit,
auf daß sie all ihre Knappheit, ihren Preis, ihren Wert verlieren,
und alle Spanne uns erhalten bleibe zu stillen den Hunger der Gier.

Denn nur das ist die wahre Freiheit:
Das Recht des Stärkeren, sich zu nehmen, was ihm beliebt.


Sie rissen die Dämme nieder, mit denen die Menschen die Fluten des Handels angestaut hatten,
zu treiben die Mühlen ihres kleinlichen Tagwerks.

Und alles ward ein großer Teich, ein See, und ein Meer.
Kein Gefälle mehr, zu treiben eines einfachen Menschen Mühlenrad,

denn alle Energie ward schon aufgesogen vom Hunger der Gier.

Und die Staaten der Menschen –
verdammt, sich den Strom ihres Blutes zu teilen –
beraubt ihrer Freiheit zu tun ihre Pflicht –
lagen aneinandergekettet wie siamesiche Zwillinge,
und strampelten hilflos vor sich hin.

Wie faulendes Aas, das im Tode die Wände seiner Zellen verliert,
versanken die Staaten in sterbende Agonie,
und die Geier der Gier nährten sich an ihrem Gestank.

Von Städten und Staaten rissen sie die Gedärme heraus,
die Leitungen für das Wasser des Lebens und energiereichen Strom,
die Geleise der Züge und gar die stinkende Kloake,
um ihre Hähne zu füttern, an deren Kampf sie sich ergötzten.

Und sie bauten sich Mächte über den Staaten, mit Macht die kein Kaiser je kannte.
Oberste Richter setzten sie ein, verpflichtet alleine der Freiheit des Nehmens.
Nur der Gier waren sie verschrieben, und der Freiheit ihres Flusses.

Was brauchen wir Hirn – wir denken mit dem unersättlichen Magen der Gier.
Was brauchen wir Volk – als Konsument doch nur dient der Mensch alleinig der Gier.
 

Elend und Tod

Die Menschen aber, herausgerissen aus ihrem Wurzelstock,
beraubt ihrer Quellen von Wasser, Nahrung und Feuer,
verjagt aus dem Garten der Freiheit, des Schaffens, des Glücks,
sie strömen zu den Türmen der Gier.

Sie strömen zusammen wie Tiere im Pferch, die fliehen vor dem Wolf,
in die sicher gewähnte Obhut der Schlachter.
Sie hoffen auf einen Krümel im Regen der Brosamen von den Tischen der Erhabenen,
zu retten ihre Kinder und die eigene Haut in das Elend des morgigen Tages.

Und die Priester sprechen zu ihren Jüngern:
Seht, so ist es gut.

Nur ein hungernder Mensch ist ein guter Mensch,
denn Sattheit ist Euer dunkelster Feind.


Doch gebt acht, daß nicht zu viele sterben,
auf daß der Lohn ehrlicher Arbeit nicht wieder redlich bezahlt werden müsse.

Doch wenn sie zu viele werden,
wenn ihr stolpert über ihre Lumpen mit Euren glänzenden Schuhen,
wenn sie Euch lästig werden, fordernd sogar,
dann gebt ihnen Waffen.
Sie werden tauschen dafür ihren letzten Kanten Brot.
Hetzt sie gegeneinander, denn sie wissen, gegen Euch kommen sie ohnehin niemals an.

Und die Menschen strömen in den Krieg,
wie Lemminge zu den Klippen
, denn wo hätten sie sonst hin sollen wollen.
Denn wenn er schon nicht zu essen gibt,
gibt irrsinnig er Erlösung vom Irrsinn im würdig gewähnten Tode.

Und noch bevor sie sich gegen Euch wenden, ruft
„Haltet den Dieb!”

Wenn sie predigen der Freiheit Grenzen und die Schranken der Gier,
heißt sie Verbrecher, denn sie verbreiten das Dunkel der Sattheit.


Wenn sie Euch kitzeln gar mit kindgleicher Wut, opfernd das eigene Leben:
Reiht sie auf in gerader Linie, auf eine Achse des Bösen,
damit ihr mit einem Streiche sie spüren lassen könnt die wahre Gewalt Eurer Macht.
 

Too Big to Fail

Und als eines Tages die Türme alleine ob ihrer Höhe ins Wanken kamen,
riefen die Jünger die Priester:
Zu Hilfe! Was sollen wir nun tun?
All unsere gegenseitigen Versprechen brechen zusammen wie ein Kartenhaus!

Und wieder schalten sie die Priester:
Oh Ihr Hasenfüße!
Seht Ihr denn nicht was ihr angerichtet habt?
Ihr zweifelt an der Macht der Gier!


Haben wir Euch denn nicht gesagt, nur der Glaube an die Gier ist es,
der Euch erhält den Wert Eurer luftigen Versprechen
und die Tauschbarkeit Eures Luftgeldes mit dem Erdengeld,
auf daß Ihr Euch herausschneiden könnt ein immer größeres Stück des Kuchens?

Doch seht, wir haben schon für Euch gesorgt.
Denn die Hasenfüße erkannten lange nicht unser Treiben.
Wie die Blinden an dem Elefanten, die sagten
„der sieht aus wie ein Rohr, ein Tuch, ein Baum, ein Haus,”
so stritten sie sich über das Wesen unserers Turmes.

Und als die Hasenfüße den wahren Umfang des Wahnsinnes zu verstehen begannen,
Da war es bereits zu spät.
Es erging ihnen wie dem Frosch im Wasser, der sich lange erfreute an der wärmenden Flamme.
Nun da die Hitze ihn umzubringen droht,
hat sie ihm auch schon die Kraft zum rettenden Sprung aus der kochenden Gefahr genommen.

Die Regierenden der Hasenfüße waren schon bei mir.
Sie schrien: welch unerhörter Frevel!


Und ich sage zu den Regierenden der Hasenfüße:

Seht her, glaubt an die Gier!
Denn die Gier und der Glaube and sie ist es, die den Turm des Wahnsinns über Euch erhält.
wenn ihr aufhört an die Gier zu glauben, wird dieser Turm einstürzen
und Euch alle unter sich begraben.


Und so gaben die Lenker der Staaten der Hasenfüße vor, an die Gier zu glauben.
Sie stellten sich vor das Fernsehen und sagten: Gier ist gut!
Und handelten im Staate, als glaubten sie an die Gier.
Nur manchmal, da zuckte es ihnen heimlich in den Achseln,
und sie hofften, daß ihr Volk es nicht sah.

Und so gaben auch die Menschen vor, an die Gier zu glauben,
und handelten danach, wo immer sie sich beobachtet fühlten.
Sie arbeiteten mehr und backten einen immer größeren Kuchen,
von dem sie einen immer kleineren Anteil für sich behalten durften.

Der Anteil der Menschen am Kuchen war gerade genug,
damit sie nicht auf Dauer in Zweifel und Zorn verharrten.
Und der Turm über ihnen hörte auf zu wackeln, und begann von neuem zu wachsen.

Doch Zweifel und Zorn wuchsen, und die Menschen begannen, darüber zu sprechen.
Plötzlich erkannten sie, daß sie nicht alleine waren mit ihrem Zweifel,
daß auch andere das leise Achselzucken der Lenker bemerkt hatten
und daß viele, die sie Erhaben wähnten,
in der Tiefe ihres Herzens selber Hasenfüßig wurden.

Und wieder riefen die Jünger die Priester:
Hört, Ihr Lehrer der Erhabenen!
Wir flehen zu Euch, Ihr Lehrer der Erhabenen!
Verlaßt uns nicht, Ihr Lehrer der Erhabenen!

Doch ihr Ruf verhallte in den Weiten des Ozeans.
Nur von Ferne, von den Gestaden des Paradieses, wo Milch und Honig fließt,
hörten sie das leise Gelächter ihrer Priester:
„Oh welch köstlichen hasenfüßigen Dummköpfe…”





Liebe Priester und Jünger der Gier,
ob abtrünnig, oder nicht, oder auf dem Weg dazu.

Sie mögen die Form dieser Darstellung für unangemessen halten.
Doch ich muß Ihnen erwidern:

Die heute praktizierte Form des global entfesselten Neoliberalismus
trägt deutlich stärkere Züge einer Religion denn die einer Wissenschaft.

Und zwar einer dekadenten, korrupten, macht-mißbrauchten Religion,
vergleichbar dem Zustand der Katholischen Kirche,
wie sie uns in den Geschichtsbüchern zu Zeiten der Reformation geschildert wird.


Die Fakten dazu finden Sie z. B. bei Binswanger, bei Senf oder bei Veerkamp, wenn auch bisweilen keine oder andere Schlüsse aus den Erkenntnissen gezogen werden.

Zugegeben, es fällt in meiner Geschichte das Licht auf die Wahrheit nur von einer Seite.
Von einer anderen Seite gewiss, als wir es gewohnt sind,
und deswegen sieht dieses Bild der Wahrheit so ungewohnt aus.
Und doch ist es die selbe Wahrheit.

Wenn Sie meinen, ich hätte etwas in dieser Geschichte gesagt, das wirklich falsch ist,
lassen Sie es mich bitte wissen.


Gut, ich habe vieles vereinfacht, weggelassen, was mir nicht so wichtig erschien,
um den Blick aufs Wesentliche nicht zu verstellen.
Die Geschichte ist immer noch zu lang.

Das meiste, was ich hier geschrieben habe, finden Sie in „präziser Formulierung” auch in den Lehrbüchern des öknonomischen Mainstreams. Wenn Sie den Teil, den Sie dort nicht finden, in der Stilform der „exakten wissenschaftlichen Darstellung” bevorzugen, darf ich Ihnen meinen Beweis ans Herz legen.