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Unsere Finanzwirtschaft ist ein Ponzi-Schema

Abriß der Beweisführung

 
Der "Aha"-Effekt kam mir, als ich das Buch "Die Wachstumsspirale" von H.-C. Binswanger schloß.
Aus dem „Bauchgefühl Geld-frißt-Mensch" war mit einem Mal eine logisch-wissenschaftlich Schritt für Schritt nachvollziehbare Argumentationskette geworden.

Auf 300 Seiten analysiert Binswanger akribisch den Stand der bekannten ökonomischen Theorie, um festzustellen, daß das Wirtschaftswachstum bis dato noch nicht richtig verstanden ist.
Er leitet dann den Investitionszyklus als zentralen Triebmotor des Wachstums ab (p. 305 ff).

Die daraus folgende Aufzählung von Forderungen an „die Rolle des Staates” (p. 351 ff) mag über Strecken wohl teilweise aus logischer Sicht erzwungen - nach Art eines „deus ex machina" - wirken. Da sie aber wesentliche Aspekte heutigen Staatshandelns und wirtschaftlichen „Wahrheitsglaubens” abdecken, ist ihnen dennoch ein erheblicher Erklärungswert zuzuschreiben.

Ich versuche, den roten Faden zu ordnen und zusammenfassen. Wenn Sie beim Lesen nicht den Eindruck haben, daß die Schlüsse logisch zwingend aufeinander aubauen, lassen Sie es mich bitte wissen. Vermutlich habe ich noch einen ganzen Packen an Vorwissen / Vorannahmen im Hinterkopf, den ich stillschweigend voraussetze.



 

Axiome (in den Kapiteln vor p 364, in den Wirtschaftswissenschaften wohl wenig umstritten):

  

„Markt” ist die naturgegebene Organisationsform des Wirtschaftens

„ökonomische Theorie ... Theorie des Allgemeinen Gleichgewichts ... Markt als Tausch zwischen Einzelwirtschaften” (p. 3)

 

  

Arbeitsteilung ist notwendige Voraussetung für technischen Fortschritt

„Die Verlagerung der Produktion in Unternehmungen hat Kräfte freigesetzt für die allmähliche Entwickung einer umfassenden Arbeitsteilung, die sich im Tausch nicht entfalten kann” (p. 5)

 

Folgerungen (+- sequentiell jeweils eins auf dem anderen aufbauend):

 

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Organisation der Arbeitsteilung in Unternehmen

„Im Zentrum ... Kapital, das die Bildung von Unternehmen in einer arbeitsteiligen Wirtschaft erlaubt” (p. 364)

 

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Abkopplung der Unternehmen von den Haushalten

„(Die Unternehmen) benötigen, weil es künstliche Gebilde sind, ....” (p. 364)

 

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Vorfinanzierung der Produktion aus unternehmensexternen Quellen

„... einen Vorschuß an Geld ... teilt sich auf in Eigen- und Fremdkapital”
„ ... dürfen die ... Produktionsmittel, die als „Realkapital” bezeichnet werden,
nicht mit dem Unternehmungskapital als Geldvorschuß verwechselt werden...”
(p. 364)

 

=>  

Gewinnpflicht zur Akquisition dieses Vorfinanzierungskapitals

„Damit Kapital und mit ihm die entsprechende Promotionsleistung bereitgestellt wird, muss also die Erzielung eines Gewinnes wahrscheinlicher sein als die Erzielung eines Verlustes” (p. 367)

 

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am Ende jeder Wirtschaftsperiode muß in einer
     Volkswirtschaft = Summe aller Unternehmen
in Umlauf sein:
      Vorgeschossenes Kapital + Unternehmensgewinn - Verzinsung

„Wie kann aber überhaupt überhaupt die Summe aller Gewinne und Verluste positiv sein?
Dies ist die entscheidende Frage:
Die Antwort darauf ist:
durch Ausweitung des Wirtschaftskreislaufes zu einem Spirallauf.
Im Kreislauf würde das Geld .... nur gerade wieder .... zurückfliesen.
Die Einnahmen der Unternehmungen könnten dann nur gerade ihre Ausgaben decken.”
(p. 367)

 

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Ohne stetig wachsenden (Geld-)Kapitalmarkt bricht die Wirtschaft zusammen.

„Damit Gewinne entstehen, müssen daher die Einnahmen durch Geldzufuhr stets steigen (p. 367)

 

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Die Banken müssen durch Kreditvergabe = Geldschöpfung kontinuierlich mehr Geld erzeugen.

„Die Unternehmensbildung war usrprünglich dadurch begrenzt, das nur wenig Geld zur Bildung von Kapital zur Verfügung stand.
Dies änderte sich erst im 18. Jahrhundert durch Schaffung des Bankensystems ...
Die Geldschöpfung erfolgt durch Kreditgewährung ...
Das Papier- und Bankgeld kann, da es stoffwertlos ist ... grundsätzlich in jeder beliebigen Menge hergestellt ... werden”
(p. 364 f)

 

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Wenn der physische Bedarf gedeckt ist, muß die Nachfrage darüber hinaus geweckt werden.

„Sättigung der Bedürfnisse als weiteres mögliches Wachstumshemmnis ...
nur für natürliche Personen - für die Haushalte vorstellbar,
nicht für die juristischen Personen - für die Unternehmungen ....
diese „ernähren” sich durch Investitionen. Für diese „Ernährung” gibt es keine Sättigung.
Im Gegenteil, je umfangreicher die Unternehmungen werden, umso mehr „Nahrung”, d.h. umso mehr Investitionen benötigen sie, um am Leben zu bleiben.”
(p. 353)

 

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Geld als „man-könnte-ja-alles-kaufen-wenn-man-es-nur-wollte”
wird zum Nachfrageobjekt aus sich selbst heraus.

„.... „Dass Geld vielmehr Wahlmöglichkeit als Konsummöglichkleit ist” und sich daher das Geldstreben schon dadurch rechtfertigt, dass man umso mehr Wahlmöglichkeiten hat, je mehr Geld man besitzt - unabhängig davon, inwieweit man das Geld später zum Kauf von Gütern nutzt.
Das Streben nach mehr Geld ist daher nicht mehr durch die Bedürfnsisse nach realen Gütern begrenzt”.
(p. 354, teilweise zitiert nach Norbert Bolz 2002)

 

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Aktien als Kapitalanlage stellen ein unbegrenzt wachstumsfähiges Produkt im Selbstbezug aus sich heraus dar.

„Die extremste Form der Entgrenzung ergibt sich aus der Nachfrage nach Kapitalbeteiligungen, insbesondere in Form von Aktien, die aufgrund der imaginierten Zukunftserwartung bewertet werden.... Haushalte nicht mehr nur an gegenwärtigem Konsum interessiert, sondern auch und immer mehr an der Erhöhung der Investitionen und damit der künftigen Gewinne ... Reinevstition nicht als Sparen ... sondern als Konsum einer Wertsteigerung.” (p. 354)

 

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Der Wachstumsprozess wird zum perpetuum mobile.

„Aus dem zusätzlichen Gewinn ... zusätzliche Zinsen für die Banken ... zusätzlichen Reingewinn den Aktionären ... Reinvestition ... weitere Kredite ...
So kann sich der Wachstumsprozess ständig fortsetzen.
Er wird auf diese Weise zu einem perpetuum mobile, der sich aus sich selbst heraus ständig weiterentwickelt.
(p. 368)

 

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Dieser Prozess braucht zur Absicherung am Ende...

... (hier splittet sich die lineare Kausalkette in parallele Zweige auf):

 

  

billige Ressourcen incl. Arbeitskraft

„ ... Beseitigung von Störungen ... Masssnahmen, die direkt zu Gewinn- und Investitionssteigerungen führen ... Bestrebungen zur Bremsung des Lohn(neben)kostenanstieges ( z. B. durch Abbau der Sozialleistungen), sowie des Anstieges der Nahrungsmittel, Rohstoff- und Energiepreise (p. 358)

 

  

Cyber-Imagination als Bedürfnisbefriedigung unabhängig von physischen Grenzen

„Schließlich gehört dazu der allmähliche Aufbau einer Cyber-Space-Welt, in der die konkreten Güter fortlaufend durch imaginierte ersetzt werden und die Information über die Güter und die Kommunikation eine höhere Bedeutung erlangen als der Besitz der konkreten Güter” (p. 359)
„... anstelle der konkreten Dinge die Bilder der Dinge auf dem Bildschirm, in Ausstellungsparks und Museen vorgestellt werden ...” (p. 374)

 

  

Kommerzialisierung aller Lebensbereiche

„... sukzessive Umwandlung von bisher nicht kapitalmäßig organsierter Produktion von Gütern und Dienstleistungen in eine kapitalmäßig organisierte, d.h. die Transformation von staatlichen Betrieben, Familienbetrieben (vor allem in der Landwirtschaft und im Gewerbe), Anstalten aller Art (z. B. Bildungsanstalten) und Vereinen (z. B. Sportvereine) in Aktiengesellschaften (p. 359)

 

  

und wenn es nicht zu vermeiden ist: Kapitalzugang für Meschen in weniger entwickelten Ländern

Nicht-Sättigbarkeit der Reichen wird ergänzt durch die Nicht-Sättigung der vielen Armen in der Welt, die noch einen genügenden „Vorrat” an physischem Hunger haben, um steigende Produktionsmengen aufnehmen zu können - soweit sie in die Wachstumsspirale der modernen Wirtschaft einbezogen werden, d.h. genügend Geld verdienen, um die steigenden Produktionsmengen zu kaufen ... durch die allmähliche Monetarisierung ihrer Einkommen und die dadurch ermöglichte Stillung des Hungers über Marktkäufe ... ”
„Dabei ist die Überwindung der Sättigungsgrenze bei den Reichen ökonomisch von grösserer Bedeutung, weil die Steigerung der Kapitalwerte schneller vorangeht als der Einbezug der Armen in die Wachstumsspirale”
(p. 354  f)

 

Bis hier - und das sind 90 % des Weges - folgen wir in der Qunitessenz 1:1 dem in der „Wachstumsspirale” vorausgedachten Pfad.

Die Quelle dürfte über gängige 08/15-Plattmachfloskeln wie „Ökodiktatur”, „Inkompetenz” „Realitätsferne”, „Sozialneid” „Linke Propaganda” oder „Verschwörungstheorie” zuverlässig erhaben sein: Hans-Christoph Binswanger war bis 1994 ordentlicher Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen. Sein berühmtester Schüler, dessen Dissertation wohl auch wesentlich in Binswangers Erkenntisse eingeflossen war, hieß Josef Ackermann. Genau, der, den Peter Sodann gerne eimal verhaften hätte lassen, wäre er Bundespräsident geworden.


Aktienkurs und Reinvestionsquote

Die nächsten 5 % des Gedankenganges finden sich bei Binswanger angerissen, aber nicht zu Ende gedacht:
Er leitet dort nach den Grundregeln der Finanmathematik den Aktienkurs eines Unternehmens als Barwert der zukünftig (unbefristet) erwarteten Rückflüsse ab. Unter anderem hängt dieser Wert von dem Anteil der im Unternehmen reinvestierten, also nicht als Dividende ausgeschütteten Gewinne ab.

„Durch die Reinvestition steigen die Erwartungen auf höhere Reingewinne in der Zukunft, was sich in einer Steigerung des Kurswertes der Aktie niederschlägt” (p 366)
„Der Barwert, d. h. die Summe der geometrischen Reihe einer unendlich wachsenden Rente, ist nur dann endlich, wenn

z > c *j.

Diese Problematik ist ... bekannt... „Wesentlich ist natürlich, daß der Barwert endlich ist, was in einer ökonomischen Analyse immer angenommen werden kann” ”. (p 321 Fußnote, teilw. zit. Miller Modigliani 1975, 293)

wobei c:     Reinvestitionsquote, also Anteil der einbehaltenen Gewinne
z:     Zinssatz für Fremdkapital
j:     Verzinsung des eingesetzten Kapitals im Unternehmen

Formen wir um:
c < z / j     <=>     Barwert (~ Aktienkurs) ist endlich

Beispiel:
Fremdkapitalzins     z = 5 %
„return on capital”     j = 10 %
=>     c < ( 5 % / 10 % ) = 0,5 = 50 %

Was hindert ein Unternehmen daran, den Anteil einbehaltener Gewinne über 50 % zu erhöhen?
Haushalte - also Menschen - die von den Dividenden leben müssen, also ihren Konsum daraus finanzieren.

Wenn aber (einzeln oder gemeinsam)

  • die Aktien nur von Haushalten gehalten werden, die konsumgesättigt sind
  • institutionelle Anleger (z. B. Fonds, Investmentbanken) die Anteile halten, die aus den Aktienkurssteigerungen für sich Gewinn ausweisen und damit neu geschöpftes Geld akquirieren können
  • die Fremdkapitalzinsen fallen
  • der „return on capital” steigt, z. B. durch „Einwickeln” von Realunternehmen in Holdings mit sinkende Eigenkapitalquoten ( „Leverage-Effekt”)

dann gibt es kein systemimmanentes Hindernis, die Schwelle c < z/j zu überschreiten und damit den Barwert zumindest in Höhen zu treiben, die durch realwirtschaftliche Betrachtung alleine nicht mehr zu erklären wären. Damit ließe läßt sich der Aktienkursanstieg ins prinzipiell Unbegrenzte steigern.

Je weniger Leute sich also den Reichtum teilen, desto weniger sind sie auf Ausschüttungen daraus angewiesen, desto mehr können sie als Reinvestition in den Unternehmen belassen und damit den Barwert sprich Aktienkurs in unendliche Höhen treiben (z. B. Aldi, Quandt, ... ).

Was macht Binswangers erwähnter Musterschüler heute?
Google wirds offenbaren. Vorgeschlagener Suchbegriff: „Leistung aus Leidenschaft”....


Antrieb des perpetuum mobile

Greifen wir Binswangers Analogie des perpetuum mobile nochmal auf:
Die Physik lehrt, daß es kein perpetuum mobile gibt.
Alle Maschinen, die auf den ersten Blick so aussehen, wandeln nur einen Energiestrom (z. B. Wärme, Sonnenstrahlung) in einen anderen, vielleicht universell einsetz-(=tausch-)baren (z. B. Elektrizität) um.

Irgendwo ganz tief in der Barwertberechnung, so tief, daß ich es in Binswangers Formeln gar nicht mehr finde, ergibt sich der Rückfluß pro Periode als Ergebnis einer realen Geschäftstätigkeit. Ganz am Rande des Geldkarusells sind also „Haushalte” (Geldsprech für Menschen) erforderlich, die Arbeitskraft leisten und Konsum nachfragen.

Die Infinitesimalrechnung lehrt:

Nix * Unendlich     ist meistens endlich.
 

Wenn also die reale Basis vollständig wegbricht, hilft kein noch so heftiger Aufblas-Reinvestitions-Leverage-Portfolio-Risikoverdrängungs-Derivatisierungs-Trick - die Kurse fallen.
Beispiele finden Sie in der Wirtschaftstagespresse z. B. der Jahre 1893 ff, 1929 ff, 2000 ff, 2008 ff.
Suchbegriffe z. B. Lehman Brothers, Schäffler, Opel, Schickedanz....

Um derartige Katastrophen zu vermeiden, muß also eine zwar anteilsmäßig ständig sinkende, aber niemals ganz Null werdende Realwirtschaft erhalten bleiben.
Die Menschen Haushalte sind also auch in einem akzelerierten Geldumlaufsystem als Antriebsquelle nicht vollständig entbehrlich.

Schlußfolgerung:

Binswanger schließt sein Kapitel „Zusammenfassung und Ausblick” mit einer „konjunktivitis vulgaris” (müsste-man-sollte-man-mal-Krankheit):

„Sollten ...Gefahren .... Schäden ... Beachtung finden ... würde dann notwendig sein, Vorstellungen einer Wirtschaft zu entwickeln, die in sich nachhaltig ist”. (p 375)

Ganz offensichtlich ist ihm selbst die letzte Konsequenz seiner Überlegungen mindestens im Unterbewußtsein nicht geheuer. Ob er uns diese mangels Wollens, mangels Wissens, mangels Dürfens, mangels Könnens oder mangels Trauens vorenthält, bleibt offen. Er scheint aber schon eine Vorstellung zur Lösung zu haben - immerhin führt er in einem Anhang (p 377 ff) aus, daß bereits Aristoteles vor 2000 Jahren deutlich zwischen einer Realwirtschaft „Oikonomiké” und einer von der Substanz abgelösten Geldwirtschaft „Kapeliké” unterschieden hat.

Uns bleibt es aber selber überlassen, die Konsequenz aus der Verselbständigung einer immer schneller rotierenden Geldschaft von der realen bedarfsbasierten Wirtschaft zu Ende zu denken. Die Infinitesimalrechnung lehrt, daß bei der Annäherung an   0 * ∞   häufig asymptotisches Verhalten gegen einen endlichen Grenzwert vorliegt.

Wir suchen also nach der Beschreibung eines asymptotisch angenäherten Grenzzustandes, in dem die Bedeutung des Menschen zum Energielieferanten eines selbsterhaltenden künstlich geschaffenen Systemes marginalisiert wurde. Eine deartige Beschreibung findet wir nicht in der Wirtschaftswissenschaft, wohl aber in der zeitgemäßen „Trivialkunst” :

Im Hollywood-Film „Die Matrix” haben Maschinen (Systeme, Computer) die Herrschaft über die Welt übernommen. Die Menschen dienen nur noch als Energielieferant für das System. Ihre Hirne sind an ein großes Computerprogramm, eben die „Matrix” angestöpselt, die ihnen eine angenehme virtuelle Realität als echt vorgaukelt. Der Filmheld „Neo” kann sich entscheiden, weiter in der Matrix zu leben, indem er die blaue Pille nimmt oder auszusteigen und die Menschen von der Matrix zu befreien, indem er die rote Pille nimmt.

Gibt uns Binswanger mit seiner „aristotelischen Ergänzung” eine lila Pille in die Hand? Oder zeigt er uns die Tür, durch die wir selber durchgehen müssen? Morpheus Binswanger? Vermutlich sollten wir ihm trotzdem dankbar sein.



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